Kernfusion: Technologien, Fortschritte und die Zukunft der sauberen Energie

Die Kernfusion bietet das Potenzial für eine nahezu unbegrenzte, saubere Energiequelle und hat das Interesse von Wissenschaftlern und Ingenieuren auf der ganzen Welt geweckt. In diesem Blogbeitrag werden wir die verschiedenen Technologien untersuchen, die zur Erreichung der Kernfusion entwickelt werden, und die Fortschritte, die in den letzten Jahren gemacht wurden. Eigenen Aussagen zufolge geht eine Mehrzahl der Start-ups in dem Bereich davon aus, schon in den nächsten 15 Jahren den kommerziellen Durchbruch zu schaffen (Siehe Abbildung).

Fusionsreaktoren: Plasma confinement (Plasmaeinschließung) und Inertial confinement

  1. Plasma confinement: Hierbei wird das Plasma, das die Fusionsbrennstoffe enthält, in einem starken Magnetfeld eingeschlossen, um es von den Reaktorwänden fernzuhalten und die erforderliche Temperatur und Dichte für die Fusion aufrechtzuerhalten. Es gibt zwei Haupttypen von Plasmaconfinementreaktoren: Tokamak und Stellarator.
  2. Inertial Confinement: Bei dieser Methode wird der Fusionsbrennstoff durch schnelle Kompression auf extrem hohe Temperaturen und Dichten erhitzt. Dies wird normalerweise mit Hilfe von Hochenergielasern oder elektromagnetischen Druckwellen erreicht.

Start-ups und Forschungsreaktoren

Verschiedene Organisationen und Start-ups arbeiten an der Entwicklung von Fusionsreaktoren. Einige Beispiele sind:

Plasmaeinschließung

  1. ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) ist ein groß angelegtes internationales Projekt, das sich auf den Bau eines Tokamak-Fusionsreaktors konzentriert. Es wird erwartet, dass ITER in den 2030er Jahren die ersten Fusionsplasmen erzeugt.
  2. Wendelstein 7-X ist ein Stellarator-Experiment in Deutschland, das sich auf die Erforschung der Plasmaeinschließung und -kontrolle konzentriert.
  3. Commonwealth Fusion Systems (CFS), ein Start-up aus den USA, entwickelt einen Tokamak-Reaktor namens SPARC, der auf Hochtemperatur-Supraleitermagnete setzt, um leistungsstärkere Magnetfelder zu erzeugen.

Inertial Confinement

  1. National Ignition Facility (NIF) in den USA ist eine groß angelegte Laseranlage, die sich auf die Erforschung der Trägheitseinschließung konzentriert.
  2. Laser Mégajoule (LMJ) in Frankreich ist eine weitere Laseranlage, die sich auf die Erforschung von Inertial Confinement Fusion (ICF) konzentriert.
  3. First Light Fusion, ein britisches Start-up, entwickelt eine innovative Trägheitseinschließungstechnik namens “projektil-induzierte Kavitation”.
  4. Helion Energy, ein US-amerikanisches Start-up, arbeitet an einer Technologie namens “Magnetized Target Fusion” (MTF), die die Vorteile von Plasmakonfinement und Trägheitseinschließung kombiniert.

Total Gain vs. Reaction Gain

Etwas verwirrend ist mitunter auch die Angabe der Effizienz von Fusionsexperimenten. Hierzu ist es wichtig, zwischen Total Gain und Reaction Gain zu unterscheiden. Der Total Gain ist ein Maß für den Energiegewinn eines Fusionsreaktors und gibt das Verhältnis der erzeugten Fusionsenergie zur Gesamtmenge der zugeführten Energie an. Der Reaction Gain bezieht sich auf das Verhältnis der erzeugten Fusionsenergie zur Energie, die direkt in die Erwärmung und Kompression des Fusionsbrennstoffs investiert wurde. Um eine kommerziell rentable Fusionsenergiequelle zu entwickeln, müssen beide Gains optimiert werden, um sicherzustellen, dass die erzeugte Energie die Energiekosten für den Betrieb des Reaktors übersteigt. In der Regel ist der Total Gain deutlich niedriger als der Reaction Gain. Insbesonders drastisch ist das z.B. bei Inertial Confinement Experimenten, bei denen der Reaction Gain > 1 liegt, der Total Gain jedoch eher im niedrigen einstelligen Prozentbereich anzusiedeln ist.

Technische Aspekte der verschiedenen Designs

Plasma confinement

  1. Tokamak: Der Tokamak ist ein ringförmiger Reaktor, der starke Magnetfelder verwendet, um das Plasma in einer ringförmigen Konfiguration einzuschließen. Magnetfelder werden sowohl durch externe Spulen erzeugt, die um den Reaktor gewickelt sind, als auch durch einen elektrischen Strom, der durch das Plasma fließt. Diese Kombination erzeugt ein toroidales Magnetfeld, das das Plasma auf einer stabilen Bahn hält und es von den Reaktorwänden fernhält. Die wichtigsten technischen Herausforderungen beim Tokamak-Design sind die Kontrolle von Plasmaturbulenzen und die Aufrechterhaltung der Plasmatemperatur und -dichte für eine ausreichende Zeit. Aufgrund der chaotischen Natur des Plasmaverhaltens liegt der derzeitige Rekord bei gerade einmal 5 Sekunden stabilen Betriebs.
  2. Stellarator: Im Gegensatz zum Tokamak verwendet der Stellarator ausschließlich externe Magnetfeldspulen, um das Plasma einzuschließen, und benötigt keinen elektrischen Strom im Plasma. Dies führt zu einer komplexeren Spulenanordnung und einer verwundenen, dreidimensionalen Plasmakonfiguration. Der Hauptvorteil eines Stellarators ist seine inhärente Plasmastabilität, die längere Einschließungszeiten ermöglicht. Die Herausforderungen beim Stellarator-Design liegen in der Optimierung der Magnetfeldgeometrie und der Herstellung der präzisen Spulenstrukturen.

Inertial Confinement

  1. Laserimplosion: Bei der Laserimplosion werden Hochenergielaser verwendet, die auf das Brennstoffpellet gerichtet sind, um es gleichmäßig zu komprimieren und zu erhitzen. Der Kompressionsprozess ist aufgrund der hohen Strahlungsenergiedichte und der sehr kurzen Zeitskala (Nanosekunden) extrem schnell. Die Haupttechnischen Herausforderungen bei der Laserimplosion sind die Kontrolle der Symmetrie während der Implosion, die Erreichung der erforderlichen Energiedichten und die gleichzeitige Minimierung von Störeffekten wie Rayleigh-Taylor-Instabilitäten.
  2. Elektromagnetische Implosion: Bei der elektromagnetischen Implosion werden starke elektrische Ströme und Magnetfelder verwendet, um das Plasma zu komprimieren und auf Fusionsbedingungen zu erhitzen. Der Z-Pinch-Ansatz ist ein Beispiel dafür, bei dem ein elektrischer Strom durch das Plasma geschickt wird, um ein Magnetfeld zu erzeugen, das das Plasma radial komprimiert. Die Herausforderungen bei dieser Methode sind die Kontrolle von Plasmainstabilitäten, die Erzeugung ausreichend hoher Drücke und die Handhabung der hohen thermischen und mechanischen Belastungen im Reaktorsystem.

Diese verschiedenen Fusionsreaktordesigns haben jeweils ihre eigenen technischen Herausforderungen und Fortschritte. Die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich ist jedoch vielversprechend, und es besteht die Hoffnung, dass eine oder mehrere dieser Technologien in den kommenden Jahrzehnten zur Verfügung stehen werden, um eine sichere, saubere und nahezu unbegrenzte Energiequelle zu bieten.

Wirtschaftliche Anwendungen der Kernfusion

Die Hauptanwendung der Kernfusionstechnologie liegt in der Erzeugung von elektrischer Energie für das Stromnetz (Siehe Abbildung). Durch die Bereitstellung einer nahezu unbegrenzten, sauberen und CO2-freien Energiequelle kann die Kernfusion dazu beitragen, die weltweite Energiewende hin zu nachhaltigeren Energiequellen zu beschleunigen. Fusionreaktoren könnten als Baseload-Kraftwerke eingesetzt werden, die eine kontinuierliche und zuverlässige Stromversorgung bieten, und sie könnten auch dazu beitragen, die Schwankungen bei der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen wie Solar- und Windkraft auszugleichen.

Source: Fusion Industry Association 2022 Survey

Ein weiterer vielversprechender Anwendungsbereich der Kernfusion liegt in der Raumfahrt. Die Fähigkeit, große Mengen an Energie aus einer verhältnismäßig kleinen Menge Fusionsbrennstoff zu erzeugen, macht diese Technologie zu einer idealen Energiequelle für Langstrecken-Raumfahrzeuge und bemannte Missionen zu entfernten Zielen wie dem Mars oder sogar noch weiter entfernten Himmelskörpern. Die Kernfusion könnte Raumfahrzeugen eine viel effizientere und leistungsstärkere Antriebskraft bieten als herkömmliche chemische Raketentriebwerke, wodurch Reisezeiten verkürzt und die Reichweite von Raummissionen erheblich erweitert werden könnten.

Zusätzliche wirtschaftliche Anwendungen der Kernfusion

  1. Schiffsantriebe: Kernfusion könnte eine effiziente und umweltfreundliche Antriebsoption für große Schiffe und Unterwasserfahrzeuge bieten. Durch die Nutzung von Fusionsenergie könnten Schiffe ohne die Emission von Treibhausgasen betrieben werden und somit einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung des Seeverkehrs leisten.
  2. Off-Grid-Systeme: Fusionstechnologie könnte in abgelegenen Gebieten oder Inselstaaten, die keine Anbindung an das zentrale Stromnetz haben, eingesetzt werden. Durch den Einsatz von kleineren Fusionsreaktoren könnten diese Gebiete von einer zuverlässigen und sauberen Energiequelle profitieren.
  3. Medizin: Die Kernfusion kann zur Erzeugung von medizinischen Isotopen verwendet werden, die in der Diagnose und Behandlung von verschiedenen Krankheiten, wie Krebs, eine wichtige Rolle spielen. Die kontinuierliche Verfügbarkeit von medizinischen Isotopen durch Fusionsreaktoren kann die medizinische Versorgung verbessern.
  4. Wasserstoffproduktion und grüne Kraftstoffe: Fusionstechnologie kann zur Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse oder thermochemische Prozesse eingesetzt werden. Der erzeugte Wasserstoff kann als emissionsfreier Kraftstoff für Fahrzeuge und Industrieprozesse verwendet werden. Darüber hinaus kann die Fusionsenergie zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen, wie Methanol oder Ammoniak, beitragen, die als umweltfreundliche Alternativen zu fossilen Brennstoffen dienen können.
  5. Industrielle Prozesswärme: Viele industrielle Prozesse erfordern hohe Temperaturen und Energiemengen, die derzeit meist durch fossile Brennstoffe bereitgestellt werden. Kernfusion kann als alternative Energiequelle für solche Prozesse dienen und somit die Emissionen in der Industrie reduzieren.

Die potenziellen Anwendungen der Kernfusionstechnologie sind vielfältig und könnten in verschiedenen Sektoren, von der Stromerzeugung bis hin zur Raumfahrt, zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen. Die erfolgreiche Umsetzung und Kommerzialisierung dieser Technologie hängt jedoch von der Bewältigung der technischen Herausforderungen und der Entwicklung von Fusionsreaktoren ab, die sowohl sicher als auch wirtschaftlich sind.

Zusammenfassung

Die Kernfusion bietet das Potenzial, eine saubere und nahezu unbegrenzte Energiequelle zu sein. Verschiedene Technologien, wie Plasmakonfinement (Tokamak und Stellarator) und Inertial Confinement, werden erforscht, um die Fusion zu erreichen. Zahlreiche Organisationen und Start-ups arbeiten an der Entwicklung von Fusionsreaktoren und experimentellen Anlagen, um die technischen Herausforderungen zu bewältigen und die Machbarkeit der Kernfusion als zukünftige Energiequelle zu demonstrieren. Während die technischen Hürden noch hoch sind, sind die Fortschritte in der Fusionsforschung vielversprechend, und es besteht die Hoffnung, dass diese Technologien in den kommenden Jahrzehnten zur Verfügung stehen werden.

One response to “Kernfusion: Technologien, Fortschritte und die Zukunft der sauberen Energie”

  1. […] Vor Kurzem ist der heiß erwartete Film von Christopher Nolan ueber den US-amerikanischen Physiker Robert Oppenheimer erschienen. Der Film hat wieder mal ein fuer Nolan-Filme typisches sehr gutes IMDB Rating erhalten (derzeit 8,8, https://www.imdb.com/title/tt15398776/). Ich habe ihn mir noch nicht angeschaut, werde das aber zeitnah nachholen. Der kürzlich in die Kinos gekommene biografische Film über J. Robert Oppenheimer, den Physiker, der oft als “Vater der Atombombe” bezeichnet wird, hat als Nebeneffekt die Neugier auf die zugrunde liegende Mechanik der Atombombe und Oppenheimers Rolle bei ihrer Entwicklung geweckt. Dies ist eine hervorragende Gelegenheit, sich mit den erschreckenden und doch faszinierenden Feinheiten der Atomphysik und dem rätselhaften Leben eines Mannes zu befassen, der enorm zur Entwicklung von Kernwaffen beigetragen hat und nebenbei eine spannende Biographie aufweist. Falls ihr meinen Beitrag zum aktuellen Stand der Kernfusion verpasst hat, sei hier auch noch einmal darauf verwiesen: https://ende-der-zeit.blog/2023/05/07/kernfusion-technologien-fortschritte-und-die-zukunft-der-saube… […]

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